Einleitung Retrospektive Studien über einen langen Zeitraum und mit hohen Tierzahlen können wichtige Erkenntnisse liefern, um das Auftreten und den epidemiologischen Verlauf von Erkrankungen, insbesondere infektiöser Genese, besser zu verstehen. So können Informationen über das zeitliche Auftreten von übertragbaren Erkrankungen erhalten und gegebenenfalls Hinweise auf Infektionsquellen, Übertragungswege und Infektionsketten gewonnen werden.
Material und Methoden Die archivierten Sektionsberichte aller im Zeitraum von 1962 bis 2022 im Institut für Pathologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover obduzierten Hunde wurden hinsichtlich makroskopischer und histologischer Befunde im zentralen Nervensystem (ZNS) ausgewertet. Die Veränderungen wurden in die Kategorien Anomalien, Degenerationen, Neoplasien, vaskuläre Erkrankungen sowie eitrige und nicht-eitrige Entzündungen eingeteilt. Die nicht-eitrigen Entzündungen wurden mittels vorliegender oder neu hergestellter HE-Schnitte re-evaluiert. Bei Verdacht einer viralen Ätiologie wurden die Fälle immunhistologisch auf typische Erreger untersucht.
Befunde Im untersuchten Zeitraum wurden 134.854 Tiere seziert, von denen 20.117 Hunde waren. Bei 2646 Hunden (13%) wurde eine neuropathologische Diagnose gestellt. In 782 Fällen lag eine nichteitrige Enzephalitis und/oder Myelitis vor, die bei 186 (24%) Hunden auf eine Staupe-Virusinfektion zurückzuführen war, die bis 2005 regelmäßig auftrat. Eine Infektion mit dem suiden Herpesvirus 1 wurde bei 122 Hunden (16%) überwiegend im Zeitraum von Mitte der 1970er bis Anfang der 1990er Jahre diagnostiziert. In 18 Fällen (2%) bestand eine Infektion mit dem kaninen Adenovirus 1. Weitere Infektionskrankheiten wurden sporadisch nachgewiesen. Die übrigen Fälle wurden als pathogenetisch und ätiologisch unklar klassifiziert.
Schlussfolgerungen Die Staupe-Virusinfektion des Hundes stellt die häufigste Ursache einer nichteitrigen Entzündung des ZNS dar, wird aber seit 2005 nur noch sporadisch beobachtet wurde. Nach einer temporär hohen Prävalenz ist die Aujeszkysche Krankheit beim Hund seit ca. 30 Jahren praktisch vollständig verschwunden, mutmaßlich wegen der erfolgreichen Bekämpfung beim Hausschwein.